Statement
Gemeinderatsitzung 04.01.24
Vielen Dank, dass ich für unsere Bürgerinitiative sprechen darf und wir unser Anliegen und das Bürgerbegehren kurz vorstellen dürfen.
Bürgerbegehren sind ein gewünschtes Instrument, um die Demokratie und die Beteiligung der Bürger zu stärken.
Bayern ist das Bundesland mit der höchsten Zahl an Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden pro Einwohner, D.h. die Menschen in Bayern bringen sich aktiv in die Gestaltung und Zukunft ihrer Orte ein und wollen bei bestimmten Themen auch immer wieder mitentscheiden. Es geht nicht um „Dagegen-Sein“, sondern um Mitgestalten-Wollen. In der Septembersitzung vom Gemeinderat wurde ein Ratsbegehren, auch ein Instrument um die Bürger in die Entscheidungen einzubinden, abgelehnt. Hier wurde auf die Möglichkeit eines Bürgerbegehrens verwiesen, als Möglichkeit für die Bürger, hier nochmal eine Änderung der aktuellen Planung zu erreichen. Hiervon haben wir Gebrauch gemacht. In diesem Bürgerbegehren ist es uns aber nur möglich, eine Frage mit „Ja“ oder „Nein“ für das Projekt zu stellen. Wir können keine Kompromisslösungen vorschlagen. Daraus hat sich also die aktuelle Fragestellung entwickelt.
Die Frage war und ist:
„Sind Sie dafür, dass die Marktgemeinde Bad Grönenbach die derzeitigen Planungen zur Errichtung eines Nahversorgungszentrums auf den Flurnummern 715, 715/22, 715/23, 717, 717/5 und 718 einstellt und die Flächen stattdessen der landwirtschaftlichen Nutzung erhalten bleiben?“
Was uns bewogen hat, diese Bürgernitiative zu gründen, war in erster Linie der Wunsch, möglichst viele Bürger in die Frage dieses grossen Projektes einzubinden. Wir hoffen, dass wenn eine Mehrheitsentscheidung mit Hilfe aller Bürger getroffen wird, alle damit gut leben können.
Bereits vor 10 Jahren war es eine knappe Entscheidung. Damals gab es dann einen Bürgerentscheid gegen ein Projekt, das deutlich kleiner war mit 1200qm Verkaufsfläche. Mit dieser Vorgeschichte ist es uns nicht verständlich, wieso hier aktuell keine Einbindung der Bürger erfolgt ist. Es gab keine Befragung oder ähnliches. Und auch die Einzelhändler vor Ort, die z.T. Existenzängste haben, wurden nicht eingebunden.
So wie der Gemeinderat in dieser Frage gespalten war und es nur zu einer äusserst knappen Entscheidung im Mai 2023 kam, so ist auch die Bürgerschaft gespalten. Viele sind für neue Einkaufsmöglichkeiten, viele wünschen sich aber auch eine andere Lösung als das aktuell geplante Projekt.
Aus unserer Sicht gibt es viele Argumente, die gegen das geplante Supermarkt-Projekt sprechen:
  1. Ein grosses Problem in Bayern ist die massive Flächenversiegelung. Im aktuellen Koalitionsvertrag ist ein Ziel von 5 Hektar/Tag definiert. Wir liegen in Bayern derzeit bei über 12 Hektar/Tag. Der Flächenverbrauch in Bayern hat laut Statistischem Landesamt also noch einmal deutlich zugenommen. Der Bayerische Bauernverband sieht den Verlust an Flächen inzwischen als eines der größten Probleme für die Zukunft der Landwirtschaft in Bayern und somit der Versorgung der Bevölkerung. Auch bei diesem Projekt geht wertvolle landwirtschaftliche Fläche verloren.
  2. Es gibt mittlerweile viele Unterstützungen auch von der Staatsregierung, um hier andere Lösungen zu finden. So gibt es z.B. den Flächensparmanager, der die Gemeinden kostenfrei berät und versucht, die Akteure zusammenzubringen und den Prozess begleitet, um flächensparende Lösungen zu finden. Es gibt vom bayerischen Landesamt für Umwelt eine neue Flächenmanagement-Datenbank, die das Flächenmanagement unterstützen soll. Es gibt seit 2019 auch das Gütesiegel „flächenbewusste Kommune“ als Anreiz, den Flächenverbrauch zu reduzieren und als Auszeichnung für die Gemeinde.
  3. Zudem haben wir Sorge um unseren Innenort und befürchten einen Verlust von Einkaufs- und Begegnungsmöglichkeiten, die so viele Einheimische und Gäste an unserem Ort so schätzen. Im Innenort können derzeit viele Einkäufe fussläufig erledigt werden und auch ältere Mitmenschen können diese Wege noch bewältigen. Das geplante Projekt wird nicht zur Innenortbelebung beitragen. Es gibt zahlreiche Untersuchungen, dass es mit Einkaufszentren ausserhalb des Ortszentrums zur Verödung im Zentrum kommt. Bereits vor 20 Jahren wurde z.B. die Ulmer Liste erstellt. Dort wurden Innenstadt-relevante Sortimente aufgeführt, die nicht von den Einkaufszentren geführt werden sollten, um die innerörtlichen Angebote zu erhalten. Ein Gutachten des Bayerischen Wirtschaftsministeriums zur Nahversorgung in Bayern hat z.B. Stockstadt am Main mit 7400 Einwohnern aufgeführt. Hier wurde ein Konzept erstellt, um den Einzelhandel im Ortskern zu stärken und zu entwickeln.
  4. Seit Jahren gehen viele Gemeinden bewusst den Weg, ihre Innenorte zu stärken, Leerstände zu beheben und eher nachzuverdichten, als an den Ortsrändern immer weiter auszufasern. Die Programme nennen sich „Innen vor außen“ , „Alte Hülle- neues Leben“, „Ort schafft Mitte“. Viele dieser Initiativen wurden und werden vom bayerischen Staat mit Steuergeldern unterstützt und gefördert. Dass wir mit einem Bauvorhaben dieser Dimension auf der grünen Wiese einen anderen Weg gehen sollen, erscheint uns nicht mehr zeitgemäß. Durch das Gesetz zur Stärkung der Innenentwicklung von 2013 wurde im Baugesetzbuch zudem die übergeordnete Zielsetzung verankert, dass die städtebauliche Entwicklung vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwicklung erfolgen soll. Betriebe der Nahversorgung in Ortszentren sind wichtige Frequenzbringer mit strukturfördernder Wirkung laut bayerischem Wirtschaftsministerium.
  5. Wir sind fest davon überzeugt, dass ein Vorhaben in der Größenordnung von 3600-4000 qm Verkaufsfläche einen massiven Kaufkraftverlust für die bestehenden Geschäfte und Märkte im Innenort darstellen muss. Nicht nachvollziehbar ist für uns die Argumentation, die Geschäfte im Innenort wären alles Nischeneinkaufsmöglichkeiten, die ihr Stammpublikum nicht verlieren würden. Wenn zum Beispiel das Nahversorgungszentrum Papierbedarf verkaufen würde, wäre ein „Dorflädele“ im Bestand bedroht.
Wir vermissen im Moment einen vorausschauenden Plan
für die Innenortsentwicklung, der auch Kompetenzen von außen – z.B in Form eines Gestaltungsbeirates – mit einbezieht. Wie in der Sonnenstrasse könnte auch zur Nahversorgung ein städtebaulicher Wettbewerb oder auch ein Investorenwettbewerb angestossen werden. Das Thema Nahversorgung beschäftigt die Gemeinde ja schon lange, das wurde in den letzten Monaten immer wieder betont. Hilfe von aussen zur Klärung und Planung wie es mit der Nahversorgung weitergehen kann, könnte dann z.B. auch die Teilnahme der Gemeinde am jährlichen „Nahversorgungstag Bayern“ bringen, der letztes Jahr im Oktober in Erlangen stattfand.

Die Gemeinde hat 2018/19 einen neuen Flächennutzungsplan erstellt zur Planung der Ortsentwicklung der nächsten 15-20 Jahre. Die Frage der weiteren Nahversorgung hatte sich ja hier bereits gestellt, wieso wurde hier keine Fläche für Nahversorgung ausgewiesen bzw. hier kein Konzept entwickelt? In diesem Plan ist die aktuell betroffene Fläche weiter landwirtschaftliche Fläche. Im dazugehörigen Landschaftsplan als Fachgutachten wird als Zielsetzung die nachhaltige Sicherung der Ressourcen und der Biodiversität formuliert. Im Fachgutachten wird auch auf das Landesentwicklungsprogramm Bayern von 2018 verwiesen, hiernach sollen land- und forstwirtschaftlich genutzte Gebiete erhalten werden und insbesondere hochwertige Böden sollen nur in dem unbedingt notwendigen Umfang für andere Nutzungen in Anspruch genommen werden.

Das aktuelle Projekt ist auf Initiative des Investors angestossen worden
und wurde nicht von der Gemeinde entwickelt. Der Investor spekuliert hier auf die Zulassung seines Projektes und hofft auf eine Umwidmung der landwirtschaftlichen Fläche. Der Investor möchte mit dem Projekt Geld verdienen, das ist seine Arbeit und verständlich. Aber deswegen muss die Gemeinde nicht einem so riesigen Projekt zustimmen, sondern kann immer noch ein eigenes Nahversorgungskonzept entwickeln.

Als Kurort haben wir noch eine gewisse ländliche Idylle. Die Gäste und Patienten der Kliniken schätzen den schönen und noch belebten Innenort. Und der gepflegte Ort ist auch optisch bei der Zufahrt von der Autobahn her zu sehen. Von hier kommen praktisch alle Gäste und hier hat Bad Grönenbach durch die Sicht auf Kirche und Schloss eine Besonderheit.
In der Bayerischen Verfassung (Artikel §141 ) heißt es: „Es gehört zu den vorrangigen Aufgaben von Staat, Gemeinden und Körperschaften des öffentlichen Rechts,(…), kennzeichnende Orts- und Landschaftsbilder zu erhalten“. Eine verbaute Ostansicht würde den Kurort nachhaltig in seinem Ortsbild beeinträchtigen.

Die Angst, Bad Grönenbach könnte mittelfristig ohne einen Nahversorger dastehen, ist nicht zu begründen
und sollte kein Argument sein. Wir nehmen diese Angst immer wieder wahr. Aber Orte von der Größe so wie Bad Grönenbach sind zu über 96% vollversorgt laut bayerischem Wirtschaftsministerium. Die fehlenden 4% ohne Vollversorger befinden sich überwiegend im Umfeld von Ballungszentren z.B. München.

Es gibt ein Bedarfsgutachten, das aber nicht öffentlich gemacht wird. Das Nicht-Veröffentlichen ist unbefriedigend und verstehen wir nicht. Da es nicht veröffentlicht wird, gehen wir davon aus, dass in diesem Gutachten nicht ein Bedarf von 4000qm Verkaufsfläche festgestellt worden ist, sondern ein deutlich geringerer Bedarf.

Wir haben derzeit im Bereich Nahversorgung eine Verkaufsfläche von unter 3500qm im Ort ermittelt. Mit dem Projekt, neue 4000qm Verkaufsfläche, wird die gesamte Verkaufsfläche auf einen Schlag mehr als verdoppelt. Der moderate Zuwachs an Einwohnern in den letzten 20 Jahren und der prognostizierte Einwohnerzuwachs für die nächsten 10-20 Jahre kann diese Vergrösserung der Verkaufsfläche nicht begründen.

Als weitere offene Punkte darf ich anführen: Wenn so viel mehr Verkaufsfläche da ist, wird auch mehr verworfen, d.h. z.B. mehr Lebensmittel werden verschwendet und weggeschmissen. Mehr Müll wird entstehen. Wir wissen nicht, wieviel Lagerflächen kommen noch hinzu? Wir wissen nicht, ob hochwertige Ausgleichsflächen geschaffen werden und wo diese liegen und ob unsere Gemeinde davon profitiert, denn die Ausgleichsflächen können irgendwo in Bayern entstehen. Uns ist unklar, wer letztlich die Erschliessungskosten trägt, wie hoch ist hier der Aufwand für die Gemeinde und wieviel Folgekosten enstehen für die Gemeinde? Wir wissen nicht, welchen Einfluss die Gemeinde auf die bauliche Gestaltung nehmen kann. Wir fragen uns auch, was mit den bisherigen Bestandsgebäuden passiert.

Ich darf nochmal sagen, wir vermissen ein langfristiges Konzept zur Ortsentwicklung. Natürlich ist ein solcher Plan mit Aufwand verbunden und es ist sicherlich ein mühsamer Weg. Bei vielen Fragen und Konzepten sind Eigentümer zu überzeugen, Leerstände zu beheben und es müssen geeignete Grundstücke gefunden werden, die zur Verfügung stehen. Aber ein Plan zur Ortsentwicklung ist nach unserer Ansicht langfristig besser als die schnelle Lösung auf der grünen Wiese.

Zusammengefasst:
  1. Es gibt keinen Plan zur Ortsentwicklung für die kommenden 20 Jahre. Vorhandene Hilfen und Konzepte, die auch von Seiten der Landesregierung angeboten werden, um hier neue Wege zu gehen und eben nicht auf der „grünen Wiese“ zu bauen, können zur Unterstützung in Anspruch genommen werden, um hier als Gemeinde auch ein Projekt Nahversorgung zu entwickeln und mitzugestalten.
  2. Die Dimension des Vorhabens mit mehr als Verdopplung der bisher im Ort vorhandenen Verkaufsfläche ist aus Klima- und Umweltschutzgründen unserer Ansicht nach nicht zu rechtfertigen. Wertvolle landwirtschaftliche Fläche geht verloren.
  3. Ein erstelltes Bedarfsgutachten wird unter Verschluss gehalten und ist für uns somit keine Hilfe und keine Orientierung.
  4. Wir befürchten eine Verödung des Ortskernes mit dort deutlich weniger Geschäften und drohenden Leerständen und einer Minderung der Aufenthaltsqualität im Innenort.
  5. Bad Grönenbachs Bevölkerung wird im Durchschnitt in den nächsten Jahren und Jahrzehnten deutlich älter werden und die Einwohnerzahl wird moderat steigen. Hier braucht es eine Versorgung auf kurzen Wegen in erreichbarer Nähe.
  6. Die Ostansicht vom Ort wird langfristig verbaut und ist nicht passend zu dem Prädikat Kurort.
  7. Die Kosten und Folgekosten für die Gemeinde bei einem solchen grossen Projekt sind uns unklar und es gibt kein Konzept für die Nachnutzung der im Verlauf sicherlich leerstehenden Bestandsgebäude.
  8. Bei der Suche nach einem Standort für einen möglichen Drogeriemarkt sollten noch einmal alle Optionen einer innerörtlichen Lösung oder einer Behebung von Leerständen geprüft werden.
Wenn der Bürgerentscheid zugelassen wird, muss dieser innerhalb von 3 Monaten durchgeführt werden. Die Frist zur Durchführung kann um weitere 3 Monate verlängert werden, wenn alle zustimmen. Dann wäre als Termin die Europawahl im Juni gut möglich, um hier Aufwand und Kosten für die Gemeinde zu sparen.

Wir sind gerade dabei, eine Website zu erstellen und wollen auf dieser noch einmal Informationen und unsere Argumente zusammentragen. Die Website ist jetzt freigeschaltet und wird im weiteren Verlauf noch ergänzt.

Die Adresse lautet: buergerinitiative-bad-groenenbach.de

Die Situation insgesamt hat sich im Vergleich zur Gemeinderatssitzung, in der ein vorgeschlagenes Ratsbegehren abgelehnt wurde, nicht verändert. Das Bürgerbegehren wurde damals bereits als möglicher letzter Schritt angesprochen, um eine Änderung der bis dahin getroffenen Entscheidungen zu erreichen. Diesen Weg haben wir als Bürgerinitiative gewählt. Es war für uns alle ein erheblicher Aufwand, das alles zu erreichen und ich danke allen, die sich in der Bürgerinitiative engagiert haben.

Um bei diesem Projekt eine klare Entscheidung zu bekommen, bitte ich Sie, den Bürgerentscheid zuzulassen und auf ein Ratsbegehren zu verzichten.

Wie Sie alle, wünschen auch wir uns einen guten Weg für den Ort und die Menschen, die hier leben.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit und Ihnen allen ein gutes und gesundes neues Jahr 2024.

Dr. Matthias Meine
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